Will man mehr über Scientology erfahren, als deren Propagandisten zulassen, steht man schnell vor verschlossenen Türen. Nur wenige ehemalige Scientology-Mitglieder, die aus der selbst ernannten Kirche austreten, tun dies in aller Öffentlichkeit. Die meisten hüllen sich in Schweigen. Umso bemerkenswerter ist es, dass die vor zwei Jahren gestartete Anonymous-Liste inzwischen über 1.500 ehemalige Scientology-Mitglieder aufführt, die über ihre Erfahrungen berichtet und ihre Beweggründe zum Austritt dargelegt haben. Auf der Liste stehen u.a. Personen, die sich nach jahrzehntelanger Mitgliedschaft von Scientology distanziert haben. So verschieden wie die Hintergründe dieser Menschen sind, so ähnlich klingen zuweilen ihre Geschichten, die in vielen Fällen direkt verlinkt sind.Anonymous ist ein weltweit agierendes Netzwerk, welches seit 2008 mit verschiedenen Protestaktionen auf sich aufmerksam gemacht hat. Auf der Berliner Seite heißt es, dass Anonymous „das Label einer Idee" sei,

Anonymous ist keine Organisation, oder Partei, kein Verein oder Club, keine Religion oder Sekte. Sie hat keinen Anführer und keine Hierarchie. Jeder kann Anonymous sein.

Und weiter heißt es dort:

Anonymous richtet sich gegen die kriminellen Machenschaften der Scientolgoy Organisation, die routiniert Familien zerstört, Menschen in den Ruin treibt, Menschenrechte verletzt und unsere demokratisch-freiheitliche Grundordnung gefährdet.


Auch für WikiLeaks engagierte sich Anonymous
Das Kollektiv nicht näher bekannter Menschen, die ihre Identität durch das Tragen von Masken zu schützen versuchen, tritt bei ihren Protesten gegen Scientology auch unter dem Namen Chanology auf.

Anonymous hatte sich in den vergangenen Monaten durch Hacker-Aktionen auch gegen die Sperrung der WikiLeaks-Konten bei PayPal, MasterCard und Visa eingesetzt. Diesbezüglich wurden. In den vergangenen Tagen wurden einige Anons in den USA, Großbritannien und den Niederlanden festgenommen.

Verfassungsschützer warnen weiterhin vor Scientology
Auch der Anfang Juli veröffentlichte Verfassungsschutzbericht 2010 weist darauf hin, dass Gegner und Kritiker der Organisation diffamiert werden, u.a. als „krank" und „kriminell". Die Organisation wird weiterhin aufgeführt, weil sie sich auf die Schriften des Scientology-Gründers Ron L. Hubbard beruft, in denen die Abschaffung der Prinzipien der freiheitlich demokratischen Grundordnung gefordert wird. Im Verfassungsschutzbericht heißt es zur Gefährdung durch die Organisation:

Die Schriften der SO, insbesondere die Hubbards, lassen jedoch erkennen, dass in einer Gesellschaft nach scientologischen Vorstellungen wesentliche Grund- und Menschenrechte wie die Menschenwürde, das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und das Recht auf Gleichbehandlung nicht gewährleistet sind.

In Deutschland engagiert sich Scientology laut Verfassungsschutz insbesondere in Bayern, Baden-Württemberg, dem Großraum Hamburg und Berlin. In Hessen, Niedersachen und Nordrhein-Westfalen gebe es größere Mitgliederbestände. Insbesondere Jugendliche stehen laut Verfassungsschutz im Fokus der Anwerbepolitik Scientologys, die Untergruppe Jugend für Menschenrechte war im vergangenen Jahren in verschiedenen Städten aktiv. In öffentlichen Bibliotheken versucht die Organisation ihre Materialien unterzubringen, in Berlin wurden Schulen Unterrichtseinheiten und Materialien zur Drogenprävention angeboten. Mit der Unterorganisation Kommission für Verstöße der Psychiatrie gegen Menschenrechte e.V. versucht Scientology seit Jahren die Psychiatrie zu stigmatisieren.

Der Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen wies in seinem Bericht insbesondere auf das wachsende Engagement der Organisation in den neuen Medien hin. Unter dem Titel Eine Sekte auf dem Weg ins Kinderzimmer wird aufgeführt, wie Scientology Youtube, Facebook & Co. sowie Blogs, Foren und Wissenschaftsdatenbanken nutzt, um insbesondere junge Mitglieder unter dem Denkmantel, eine karitative Organisation zu sein, zu werben. Das Fazit der nordrhein-westfälischen Verfassungsschützer lässt aufhorchen:

Scientology hat die Neuen Medien für sich entdeckt. Die Phase, in der die Mitglieder Flyer und Heftchen in Fußgängerzonen verteilen, um für das System zu werben, geht ihrem Ende zu. Scientology und ihre Tarnorganisationen, vor allem „Jugend für Menschenrechte" und „Sag nein zu Drogen - sag ja zum Leben" nutzen Social Networks wie Facebook, Channels wie Youtube oder Twitter, Foren, Blogs und die Enzyklopädie Wikipedia. Geschickte Verquickungen sind erfolgreich darauf ausgerichtet, vor allem Jugendliche zu manipulieren, anzusprechen und in den Bann der Organisation zu ziehen.